Ein Hoch auf #regrettingmotherhood

Wenn sie könnten, würden sie alles rückgängig machen: 23 Frauen haben zugegeben, dass sie die Entscheidung für Kinder bereuen. Wir sollten ihnen dankbar sein.

Momentan wird das Phänomen „Regretting Motherhood“ in den Medien und sozialen Netzwerken diskutiert. Ausschlaggebend war die Studie einer israelischen Soziologin. Orna Donath hat 23 ausführliche Interviews mit Frauen geführt, die offen zugeben, dass sie die Entscheidung für ihre Kinder bereuen.

Diesen  Frauen gebührt Lob und Anerkennung, weil sie eine Schweigespirale  durchbrechen und doppelten Mut beweisen. Sie trauen sich, eine Meinung auszusprechen, die gesellschaftlich nicht akzeptiert ist und nehmen in Kauf, sich zu isolieren. Gleichzeitig  stellen sie ihren eigenen Lebensentwurf in Frage–das fällt vielen Menschen schwer. Chapeau!

Der wahre Skandal liegt nicht darin, dass es Frauen gibt, die nicht gerne Mutter sind.  Es ist viel skandalöser, dass es in freien, demokratischen Ländern gesellschaftlich nicht akzeptiert wird, diese Meinung zu haben. Das beweist wieder einmal:  Die Mutterrolle ist noch immer völlig überhöht – daran konnten auch alle Schritte in Richtung Gleichstellung nichts ändern.  Wenn Frauen Kinder bekommen, sollen sie ihren Lebenssinn in ihnen finden und sie zu dem einzig wirklich wichtigen in ihrem Leben erklären. Ich finde das einfach lächerlich. Meiner Erfahrung nach führt alles Überhöhte schnell zu wahnsinnig großen Erwartungen, die oft enttäuscht werden. Das ist weder für Mütter, noch für Kinder gut. Und für die Väter vermutlich auch nicht.

Die Überhöhung der Mutterrolle schadet Frauen in der Berufswelt enorm. Arbeitgeber müssen immer damit rechnen, dass eine Kollegin im gebärfähigen Alter Kinder kriegen könnte. Und weil es das Stereotyp so will, gehen viele Vorgesetzte davon aus, dass die Frau dann lange ausfällt und anschließend nicht mehr so einsatzfähig ist wie ein Mann– ein Risiko, dass es abzuwägen gilt, wenn Bewerbungsmappen durchgeschaut und Vorstellungsgespräche geführt werden.

Zudem sind Frauen eher bereit, Diskriminierung in Kauf zu nehmen und sich ihre eigene Situation schön zu reden, wenn ihnen von der Gesellschaft gespiegelt wird, dass sie die größte und wichtigste Erfüllung in ihrem Leben doch ohnehin in der Kindererziehung finden werden. So verfestigen sich Geschlechterungleichheiten.

Es ist müßig, die Schuldfrage zu stellen und den Männern den schwarzen Peter zuzuschieben. Das Ganze ist tief in unserer Kultur verwurzelt,  hier geschieht wenig bewusst oder strategisch. Frauen, die selbst voll in der Mutterrolle aufgehen  (was ja auch völlig okay ist) und immer wieder betonen, die Entscheidung für ein Kind sei die beste ihres Lebens gewesen und die Erziehung mache viel mehr Spaß als jeder andere Job der Welt, setzen die unglücklichen Mütter vermutlich am meisten unter Druck. Umso wichtiger, dass manche Frauen diesen Druck ignorieren und offen zugeben, dass Muttersein für sie eben nicht das größte Glück bedeutet.  Ich wünsche mir mehr Ehrlichkeit in der Debatte.

Hinterlasse einen Kommentar